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Ich bin wie ein lichtes, offenes Haus. Geschichten kommen zu mir wie freundliche Besucher. Wie Wolken ziehen sie an meinem Haus vorüber, verändern ihre Form, werden größer und verdichten sich, entstehen und wandeln sich.
Meine Hände zeichnen dann die flüchtigen Gebilde auf. Sie fangen sie auf dem Papier ein, diese Wolken aus Worten, die sich fortlaufend verändern. Im Laufe der Jahre sind es viele geworden. Manche Texte haben sich im Laufe der Jahre verändert, andere sind nahezu gleichgeblieben. Manchmal ging auch ein Stück aus einem Text verloren wie ein kleiner Wolken-Wattebausch am Himmel, der sich abtrennte und verflüchtigte. Gelegentlich kam eine kleine Wolke hinzu und verschmolz mit der größeren und bildete ein neues wunderschönes Gebilde.
Diese Art des Schreibens bezeichnete Jiddu Krishnamurti einst als „Denkfühlschreiben“ und sie in rationellen Worten zu beschreiben, würde ihr nicht entsprechen. Um diese Texte und Geschichten zu lesen und zu verstehen brauchst Du mehr als deinen Verstand.
Ich liebte schon als Kind Geschichten und die Bilder, die sich in ihnen verbargen. Es gab viele Arten von Geschichten. Schon früh erkannte ich jedoch, dass nur wenige Geschichten über sich hinauswiesen und mich größer, weiter, glücklicher machten. Nur diese durften bleiben - in meinem Haus und in meinem Kopf.
Bis ich selbst lesen konnte, las mir meine Mutter allabendlich Märchen vor. Märchen sind wunderbare, magische Geschichten. Sie weisen immer über sich hinaus, denn sie beinhalten versteckte Wahrheiten. Sie sind Metaphern, enthalten alte Weisheiten, die uns Aspekte unseres eigenen Lebens vor Augen führen. Als ich mit etwa zehn Jahren „Die unendliche Geschichte“ und „Momo“ von Michael Ende las, erkannte ich, dass es noch umfangreichere, bedeutsame Geschichten gab, die von versteckten Wahrheiten wimmelten.
Wer nicht weiß, wohin wir Menschen unterwegs sind auf dieser Erde, verirrt sich im Dschungel der Geschichten. Dieser Dschungel wurde seit meiner Kindheit immer undurchdringlicher und düsterer. Es gab zunehmend mehr Irrwege als Lichtwege. Die literarischen Irrwege sind jedoch gefährlich. Hast du keine innere Orientierung, so führen sie dich irgendwohin. Sie werden dich niemals retten – und konnten es noch nie. Die weisen Geschichten aber führen dich zur Weisheit und in die Freiheit. Diese fand ich stets außerhalb von Institutionen.
Auf meinem Weg begegnete mir mit etwa elf Jahren der Film „Der dunkle Kristall“ von Jim Henson. Über dreißig Jahre später sollte dieser Film meinen eigenen Kindern einen kindgerechten Zugang zur verborgenen Wahrheit hinter dem weltlichen Zeitgeschehen bereitstellen. Für mich persönlich blieb jedoch die Figur der Momo wie ein lichter Wegweiser, denn wie Momo witterte ich das Gefühllose und Lebensferne schon als Kind. Bereits als kleines Kind beobachtete ich es still, erstaunt und auch erschreckt. Es war präsent an Orten, in Gebäuden und umgab auch manche Menschen wie ein kalter Nebel. Es schauderte mich, wenn ich ihnen begegnete und wenn ich ihre Stimme hörte.
Geborgenheit und Kraft bot mir lange Zeit nur meine Großfamilie mit einer liebevollen Großmutter im Zentrum der Aufmerksamkeit, die alljährlich an ihrem Geburtstag, dem 24. Dezember, ihre gesamte Familie um sich versammelte, bevor am Abend Weihnachten gefeiert wurde.
Als junge Erwachsene las ich mich durch philosophische und religiöse Texte. Ich versuchte, im trüben literarischen Sumpf meiner Zeit etwas herauszufischen, das erhellte und mich weiterführte. Ein innerer Kompass leitete mich durch die Geschichten meiner Zeit und zu sehr alten Geschichten.
Bald entdeckte ich Übereinstimmungen in den Botschaften meiner Lieblingsbücher und Bibeltexten und in Aussagen Meister Eckharts. Ich traf auf vergleichbare Botschaften im chinesischen Daodijing und in den Yogischen Schriften. Meine innere und äußere Bibliothek wuchs und wuchs. Ich begann die eigentliche Bedeutung der Geschichten zu verstehen und stellte das Weltbild meiner Kultur vollständig in Frage. Schließlich verknüpfte ich die Aussagen des Maya-Kalenders mit dem, was ich bereits wusste. Mir war, als setzte ich ein gigantisches Weltenpuzzle zusammen und ich begann zu begreifen, dass ich die weltlichen Umwälzungsprozesse zum Ende des Maya-Kalenders persönlich miterleben würde.
Mit zunehmender Erkenntnis wurde mein Leben immer turbulenter, so als hätte ich mit dem Lesen und Verstehen von weisen Büchern magische Siegel gebrochen und die Warnhinweise nicht gelesen. Ich erfuhr die Magie des Lebens am eigenen Leib und verstand, dass ich mich auf einem Weg befand, den vor mir schon so viele gegangen waren. Nun passierte es mir.
Ich verlor in wenigen Monaten vieles, von dem ich immer gedacht hatte, dass ich es bräuchte. Jeder Verlust erschütterte mich, befreite mich aber auch von Verpflichtungen, Gesprächen, Orten, Gewohnheiten und Erinnerungen. Auch meine Ernährung veränderte sich, und dies stellte mich als leidenschaftliche Köchin für eine fünfköpfige Familie vor Herausforderungen.
Ich ging neugierig und mutig weiter, denn neue Türen öffneten sich für mich und ich wusste längst, wohin ich aufgebrochen war. Als mein persönliches Museum für mich vollkommen an Bedeutung verloren hatte, fand ich endlich die Nirgendgasse, die Gasse, außerhalb der Zeit.
Wie aber gelangte ich hinein? Ich hatte vielleicht einfach lange genug nach ihr gesucht, auf die richtigen Hinweisschilder geachtet und die richtigen Abzweigungen genommen. Alles hatte sich gefügt. Ich war dabei keinem traditionellen Weg bewusst gefolgt.
Angekommen in der Nirgendgasse verlangsamte ich das Tempo in meinem wirklichen Leben, Schritt für Schritt. Vier Monate lang wurde es sehr leise in meinem Film. Das Leben gönnte mir eine Auszeit. In früheren Zeiten gingen Menschen dafür ins Kloster oder zogen sich aus der Zivilisation zurück. Das war aber nicht notwendig. Ist es heute nicht mehr. Auch meine Kinder spielten auf wunderbare Weise mit - neugierig und geduldig. Dann endlich durfte ich den Projektionsraum betreten, jenen magischen Raum, an dem mein Lebensfilm abgespielt wird. Ich erfuhr: Meine Geschichte war ein bis ins Detail phantastischer, wunderbarer, logischer und perfekter Film. Es bleiben keine Fragen offen.
Ich habe dort auch Meister Hora gefunden, der so viele Namen hat auf dieser Welt. Für mich ist er eine Energie, die eine für unsere Sinne erfahrbare Form annehmen kann. Die Begegnung geschah ganz real in dieser Welt, an einem frostigen Winterabend. Wir glauben nicht an solche mystischen Begegnungen, bis sie uns überraschend selbst geschehen. Dann aber gibt es keinen Zweifel mehr. Ich weiß heute: Meister Hora taucht im Leben eines Menschen überraschend auf. Der Weg in die Nirgendgasse ist nur alleine zu finden.
Schließlich durfte ich mit einer Stundenblume in der Hand, die grauen Herren in meinem Lebensfilm besiegen. Nach und nach wurden sie schwächer und zerfielen zu Staub. Mit ihnen sind das Graue und die Ängste aus meinem Lebensfilm verschwunden. Es war (und ist noch) ein anstrengender aber spannender Weg.
Heute ist mein Film farbenfroher und heller. Viele Schatten sind fort und die Tage entfalten sich auf wunderbare Art. Ich freue mich zu erleben, wie immer mehr Menschen beginnen, diesen Weg gehen. Wir sind dabei, einen evolutiven Sprung zu meistern. Wir schlüpfen aus dem dunklen Kokon und übernehmen endlich Verantwortung für unsere persönlichen und kollektiven (Alp-)Träume, denn wir gelangen in den Projektionsraum unseres Lebensfilms. Wir vertreiben als Momos oder Arjunas Lichtkrieger die Dunkelheit auf dieser Welt, innen und außen.
Meine Texte und Geschichten sind einzelne Wegweiser in Richtung Nirgendgasse. Für jene, die diese Straße suchen und betreten möchten … ganz real im wirklichen Leben und auf eigene Faust. Es gibt so viele Wege auf dieser Welt, die uns zu ihr führen. Viele Menschen in Europa machen lesend die ersten Schritte, denn wir wollen ja unseren Verstand mitnehmen, auch wenn er dabei in eine andere Rolle hineinwachsen wird. Dieses Leben ist für uns Menschen die erfahrbare Version vieler Metaphern, die auf der Welt existieren.
In Liebe für euch alle, die ihr die ersten Schritte wagt oder diesen Weg schon gefunden habt.
Claudia